Mit Caritas international durch Armenien und Georgien
Im Schatten des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine schwelen andere Krisenherde im Kaukasus weiter - nahezu unbemerkt von der deutschen Öffentlichkeit. Im kleinen Armenien mit weniger als drei Millionen Einwohnern flammen die kriegerischen Auseinandersetzungen mit Aserbaidschan immer wieder auf. In Georgien sind die Folgen des Kriegs einerseits durch ukrainische Geflüchtete und andererseits durch die massive Migration junger Russen spürbar. "Sowohl die Bekämpfung akuter Not als auch langfristige Programme zur Stärkung der Zivilgesellschaft und Demokratie sind enorm wichtig - für Armenien und Georgien und für die gesamte Region", sagt Linda Tenbohlen, Teamleiterin Kommunikation bei Caritas international.
Für die Caritas Konstanz konnte Harald Kühl an der Reise teilnehmen. Seit 2006 begleitet der Geschäftsführer der Regionauten die Caritas Konstanz in der Öffentlichkeitsarbeit. Bei Ortsbesuchen und in Gesprächen mit Caritasmitarbeitenden, Ehrenamtlichen und Menschen in Not konnte Harald Kühl einen Eindruck von der Wichtigkeit und Wirksamkeit der Caritasarbeit in Armenien und Georgien gewinnen. Seine Reportage führt zunächst nach Armenien.
Gelegenheiten kann man nicht kaufen - Armenisches Sprichwort
Rund vier Stunden Fahrt von der Hauptstadt Jerewan über löchrige Pisten in den Nordwesten Armeniens liegen hinter uns. Verschwitzt und müde von den vielen Eindrücken der ersten Reisetage stehen wir in der Lobby des "Berlin Art Hotel", einem unscheinbaren Flachdachbau am Altstadtrand von Gyumri. Mein Blick schweift durch eine breite Glastür in den Garten: Rosenbüsche, kleine Birken, hochgewachsenes Wildgras. "Wie schön", sage ich gedankenverloren zu mir selbst. "Es ist das Paradies. Darf ich es Ihnen zeigen?". Die weiche Männerstimme in perfektem Deutsch passt zur eleganten, weltmännischen Erscheinung des Mannes, Ende 50, der sich als Hotelmanager vorstellt. "Ich komme aus dem Paradies", antworte ich ihm lächelnd, folge ihm in den Garten und erkläre ihm kurz das mit den Schwestern, die im Mittelalter in den sumpfigen Wiesen vor Konstanz ihr Kloster gründeten und dem Viertel, in dem ich wohne, seinen Namen gaben. Bei einem tiefschwarzen, zuckersüßen armenischen Kaffee erzählt Alexan Ter-Minasyan von Gyumris bewegter oder besser gesagt erschütternder Geschichte: 1988 kamen bei einem verheerenden Erdbeben rund 25.000 Menschen ums Leben. Engagierte Berliner gründeten den Armenien e.V., bauten eine Krankenstation auf und später - als sie nicht mehr gebraucht wurde - in ein Hotel um. Ein Hotel in dem Menschen mit Behinderungen Ausbildung und Arbeit finden. Eine beeindruckende Geschichte eines bescheidenen Mannes, über den ich erst am nächsten Tag auf seiner Visitenkarte lese: Honorarkonsul der Bundesrepublik in Gyumri. Bescheiden scheinen mir die Armenier und zugleich stolz. Zurückhaltend und zugleich ebenso mitteilungsbedürftig wie interessiert. Gastfreundlich, herzlich, aber in keinem Moment aufdringlich.
36 Jahre nach dem Erdbeben sei endlich wieder Aufbruchstimmung und Zuversicht spürbar, findet Lilia Hambarzumyan, Projektmanagerin bei der Caritas Armenien, die ihren Hauptsitz hier in Gyumri hat. Beim Spaziergang durch "ihre" Stadt, einst florierende Kaufmanns- und Kulturmetropole, geht es vorbei an schmucken Cafés, urbanen Clubs, kleinen Läden, überall wird gebaut, dazwischen immer noch einige Ruinen. Die Caritas ist hier ein wichtiger Akteur, beschäftigt rund 230 Menschen, z.B. in der inklusiven Bäckerei im Stadtzentrum, hat seit ihrer Gründung 1995 Tausenden Menschen geholfen.